Heute
sind Aktivitäten im Gang, die ganz eindeutig dazu dienen, die Ankunft des
Prinzen Eugen und das genaue diplomatische Protokoll zu besprechen, das rund um
die Unterzeichnung des Friedensvertrags in Anwendung kommen soll. Von Seilern
bespricht sich ausführlich mit von Goëss, und beide empfangen nacheinander die
beiden jungen Fürsten von Ligne (28 und 29), die vorgestern eingetroffen sind
und als hohe Militärs quasi die Vorhut des Prinzen Eugen darstellen. Der
Empfang ist, obwohl sie aus dem eigenen Lager stammen, förmlich: Von Seilern
empfängt sie oben an der Treppe und geht mit ihnen ins Audienzzimmer.
Erleben Sie den Friedenskongress Tag für Tag. Der Badener Caspar Joseph Dorer führt für Sie Tagebuch.
31.8.14
30.8.14
Letzte Retouchen am Friedensvertrag
Von
Wien und Paris sind inzwischen die Kuriere des Friedensvertrags wieder in Baden
eingetroffen und haben aus den Hauptstädten Instruktionen mitgebracht. Es wird
nicht bekannt, ob am Vertrag nun noch letzte Korrekturen angebracht werden oder
ob es allein darum geht, das Prozedere der Unterzeichnung zu besprechen.
Jedenfalls treffen sich heute die kaiserlichen und französischen
Bevollmächtigten von neun bis elf Uhr auf dem Rathaus zur Konferenz. Danach
folgt der übliche Besuch der heiligen Messe.
In
der Wiese hinter dem Sommerhaus des Schultheissen Schnorff, das sich vor dem
Mellingertor befindet, hat man ein Zelt aufgestellt. Dort speist der Seigneur
de Saint-Contest mit seinen Damen zu Mittag. Nach vier Uhr nachmittags kommen
die kaiserlichen Exzellenzen hinzu. Man unterhält sich bis zur einfallenden
Nacht – ein schöner Sommernachmittag, auf den ein Nachtessen folgt: Von Seilern speist bei
Saint-Contest.
29.8.14
Prinz Eugen endlich unterwegs
Heute
kommen die beiden Fürsten Claudius (29) und Ferdinand (28) von Ligne und
Amblise in Baden an. Sie sind die ersten Vorboten Prinz Eugens, vor elf Tagen
in Wien abgereist. Sie nehmen Quartier im Gasthof zum Engel, neben dem
Bruggertor.
Endlich
soll heute auch Prinz Eugen, der römischen kaiserlichen und königlichen
katholischen Majestät wirklich geheimer Rat, Hofkriegsratspräsident,
Generalleutnant, des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation
Reichsfeldmarschall und so weiter und so weiter, Wien mit der Post verlassen
haben, um nach Baden zu kommen und die Generalfriedenshandlung vorzunehmen. Man
rechnet damit, dass Prinz Eugen in etwa einer Woche in der Kongressstadt
eintreffen wird.
28.8.14
Marschall de Villars nähert sich Baden
Schon
bald seit vier Wochen wird jetzt keine Konferenz mehr gehalten. Alles wartet
auf die Ankunft der zwei hohen Generäle, die das Friedenswerk unterzeichnen
sollen. Der französische Bevollmächtigte, Marschall de Villars (61), soll sich vor
einigen Tagen von Paris aus zu seinem Schloss Vaux-le-Vicomte begeben haben.
Dieses Landgut liegt südöstlich von Paris, noch 500 Kilometer von Baden
entfernt. Doch von dort aus habe de Villars die Reise nach Baden angetreten und
sei in der Nacht auf heute in der französischen Festungsstadt Hüningen angelangt. Das ist vor den Toren Basels
– noch 70 Kilometer bis Baden. Dort wahrt er Abstand; er will keinesfalls lange
vor Prinz Eugen eintreffen.
27.8.14
Eine Flasche Wein ist schäbig; man bringe acht Saum!
Neben
dem Herzog von St. Pierre und dem päpstlichen Gesandten Passionei sind fünf
Franzosen heute Mittag bei Graf von Seilern zu Gast, darunter einer, der als der
«disgracierte Poet» bezeichnet wird. Es handelt sich um Jean-Baptiste Rousseau
(43), der nicht mit seinem jüngeren Namensvetter Jean-Jacques (erst gerade 2
Jahre alt) verwechselt werden darf. Jean-Baptiste Rousseau ist einer der besten
französischen Lyriker seiner Zeit. Aber eben: er beschmutzt andere in seinen
Gedichten, seine Spottverse sind gefürchtet.
Spektakulär das Geschenk, das der Markgraf von Baden-Durlach heute
dem Grafen von Seilern macht: ein ganzes Fuder weissen und roten Markgräfler
Weins, acht Saum, das sind so um die tausend Liter!
26.8.14
Glieder gut, Hirn schlecht
Heute
trifft aus London eine neun Tage alte Zeitung ein, aus der hervorgeht, dass der
Leichnam der Königin Anna geöffnet und einbalsamiert worden sei. Die Glieder
des Leibs seien noch für sehr gut, das Hirn aber für schlecht befunden worden.
Die Eingeweide seien am 16. August in der Kapelle König Heinrichs VII. in der
Westminster Abtei beigesetzt worden.
25.8.14
Der Namenstag des Sonnenkönigs
Heute
regnet es nur einmal. Der Einbruch des Herbsts, Ende des Badenfahrt-Wetters, kennen
wir! Aber die Franzosen sind in Festlaune: Ihr König Ludwig XIV. hat Namenstag.
Trompetenspiel schon am frühen Morgen. Die Lakaien ziehen alle mit neuer,
properer Montur auf. Um elf Uhr reihen sich 36 von ihnen ein vor dem
Bernerhaus, an die Spitze des Zugs, gefolgt von jungen Edelknaben. Dann die
hohen königlichen Gesandten, Comte du Luc und Monsieur de Saint-Contest, in
farbigen Kleidern, begleitet von den Fürsten von Auvergne und Castiglione, dann
weitere Gesandte und eine Menge Offiziere. In dieser Formation ziehen sie zur
Kapuzinerkirche, wo auf dem Hochaltar dreissig Wachskerzen brennen und der
heilige Ludwig vom Altarblatt grüsst.
Um
ein Uhr zurück im Bernerhaus, beginnt das prächtige Gastmahl. Ein Hauptmann aus
dem Waadtland, der die Tochter des ehemaligen Landvogts Thormann angemacht hat,
pöbelt gegen den jungen Grafen du Luc, aber der Zwischenfall wird von den
Anwesenden abtempiert, indem sie allesamt von der Tafel aufstehen. Die Damen
lassen sich darauf ins Theater tragen. Einige fahren in den Kutschen, ihnen folgt
der ganze Hof. Die Komödie beginnt um 19 und dauert bis 22 Uhr.
Nach
dem Theater startet bei Monsieur de Saint-Contest im Paradies ein Ball, und um
Mitternacht geht dieser über in ein erneutes vornehmes Gastmahl. Erst um vier
Uhr morgens geht die hohe Gesellschaft auseinander.
24.8.14
Widersprüchliche Berichterstattung
Heute
sei der Abt von St. Blasien in Baden eingetroffen, erfährt man. Doch warum
sollte Hochwürden drei Tage nach dem Besuch vom 21. nochmals kommen und erneut von
Seilern zum Mittagsmahl eingeladen werden, ohne dass der Grund genannt, vermutet oder wenigstens ein Wörtchen wie «wiederum» hinzugegeben wird? Und
warum wird berichtet, von Goëss, bei dem der Abt als Erstes sein Kompliment
abgelegt habe, sei jüngst von einer Wallfahrt nach Maria Einsiedeln
zurückgekommen, wo doch von Göess gestern bei der geheimen Unterredung im Kapuzinergarten
war? Hingegen ist bereits am 20. berichtet worden, Goëss sei früh um sechs Uhr mit
seinem Sohn und einigen Offizieren nach dem Wallfahrtsort abgereist. Da wird er
doch wohl am gleichen Tag oder spätestens am 21. zurückgekommen sein.
Sind
dem Tagebuchschreiber die Ereignisse oder die Tage ein wenig durcheinander
gekommen? Können wir alles präzis so glauben, wie es uns berichtet wird? Oder
müssen wir halt auch mal eine Fehleinschätzung oder einen kleinen Fehler in der
Datierung hinnehmen?
23.8.14
Nachricht aus Wien: Ein neues Problem?
Mit
der Post trifft heute ein Extrakurier von Wien ein, der sofort zu Graf von Goëss
in den Wilden Mann eilt, wohin sich auch Graf von Seilern unverzüglich begibt.
Daraufhin, so wird beobachtet, treffen sich die beiden Kaiserlichen mit dem
Franzosen Saint-Contest im Kapuzinergarten und halten mit ihm über eine Stunde
lang eine geheime Unterredung.
Niemand
weiss, aber alle mutmassen, was hier an schlechter oder schwieriger Nachricht
wohl eingelangt sein mag. Eine Unstimmigkeit im Vertrag? Eine zeitliche
Verzögerung? Eine Forderung Wiens bezüglich der Formalitäten, die der
Zustimmung der Franzosen bedarf? Nichtsdestotrotz begeben sich derweil die
Französinnen, von vornehmen Kavalieren begleitet, ins «Commoedi-Hauss» auf dem
Theaterplatz.
22.8.14
Die Vorläufer von Prinz Eugen unterwegs nach Baden
In
Baden wartet man sehnlichst auf Nachrichten aus Wien. Wann endlich reist Prinz
Eugen ab, um den Frieden zu unterzeichnen? Noch ist von Durchlaucht nichts zu
vernehmen. Statt ihm, so hört man heute, haben aber zwei junge, hohe Militärs
aus seinem Gefolge die Reise von Wien nach Baden angetreten, die beiden Fürsten
von Ligne und Amblise. Sie gehören zum kaisertreuen belgischen Hochadel und
haben sich im vergangenen Krieg militärisch ausgezeichnet. Claudius ist 29,
sein Bruder Ferdinand 28 Jahre alt.
21.8.14
Der Abt von St. Blasien auf Besuch
Heute
macht der Abt des mächtigen Benediktinerklosters St. Blasien, Augustinus Fink
(ca. 62), einen Besuch in Baden. Das im Schwarzwald liegende Kloster ist auch
in unserer Gegend reich begütert. Es ist in zahlreichen umliegenden Ortschaften
Grundherr und Inhaber anderer Rechte. In Kirchdorf beispielsweise richtet es über Diebstähle und andere
Delikte (Niedere Gerichtsbarkeit), bezieht den Zehnten und setzt den Pfarrer
ein. Es ist mit den Propsteien Klingnau und Wislikofen auch physisch in der
Grafschaft Baden präsent. Abt Augustinus hat sich im vergangenen Krieg zweimal
mit Mitbrüdern in Wislikofen in Sicherheit bringen müssen.
Nach
der Mittagstafel beim kaiserlichen Gesandten von Seilern reist Abt Augustinus
mit dem Propst und dem Hofkaplan nach Klingnau ab. Er wird von Seilern mit
einer von sechs Rappen gezogenen Kutsche in die Bäder geführt und besteigt dort
das Schiff.
Abends
unternehmen die Franzosen unter der Führung von Saint-Contest einen Ausflug
aufs Wettinger Feld, in zwei Kutschen und mit Sänften. Nach knapp drei Stunden
kehren sie um acht Uhr noch beim Herzog von St. Pierre ein.
20.8.14
Königin Anna verstorben
Heute
läuft in Baden die Nachricht ein, dass am 12. August morgens zwischen sieben
und acht Uhr Königin Anna von Grossbritannien in ihrem 50. Lebensjahr
verstorben ist. Als man vor sieben Tagen in Baden von ihrem Schlaganfall
vernommen hat, war sie also bereits seit einem Tag tot. So lange dauert es, bis
umwälzende Neuigkeiten (engl.: breaking news) von London nach Baden übermittelt sind.
Anna
stirbt ohne direkte Nachkommen, sie ist die letzte Königin aus dem Hause
Stuart. Ober- und Unterhaus treten zusammen und nehmen Kenntnis von der früher
beschlossenen Parlamentsakte, wonach der Kurfürst von Hannover, der Welfe Georg
aus dem Haus Braunschweig-Lüneburg, ihr auf dem Thron nachfolgt.
19.8.14
Das Tägerhard: ein neuer Festort mit Potenzial
Am
heutigen strahlend schönen Sonntag geben die französischen Gesandten eine
Freiluftparty im Tägerhard. Die Bediensteten haben viel Arbeit damit gehabt und
im Wald eine Tafel eingerichtet, die mit unterschiedlichen köstlichen kalten
Speisen ausgestattet ist. Nachmittags um zwei begibt sich die Crème de la Crème
in ihren Kutschen und zu Pferd nach Wettingen. Die Bauern aus mehreren
umliegenden Dörfern laufen zusammen, um sich dieses Spektakel anzuschauen.
Dieser
Ort, das Tägerhard, hat wahrhaftig das Potenzial, um Feste zu feiern! Die noblen
Damen und Herren haben mächtig Spass und bleiben bis acht Uhr abends. Unter
hell leuchtenden Fackeln besteigen sie wieder ihre Kutschen und fahren zurück.
Bei Saint-Contest im Paradies gibts für einen Teil der Gesellschaft noch einen Absacker.
18.8.14
Alles bereit in Prinz Eugens Unterkunft?
In den letzten Tagen ist im Sommerhaus des Schultheissen Schnorff vor dem
Mellingertor die Unterkunft für Prinz Eugen von Savoyen hergerichtet worden,
der bald erwartet wird, um den Frieden für den Kaiser zu unterzeichnen. Von
Seilern und der Sekretär der kaiserlichen Delegation, Penterriedter,
besichtigen die Vorbereitungen und kehren danach im «Paradies» bei
Saint-Contest ein.
17.8.14
Die evangelischen Gesandten enttäuscht
Der
Baden-Durlachische Gesandte reist heute ab. Er ist enttäuscht wie alle
evangelischen Gesandten. Sie wollten die sogenannte Religionsklausel
abgeschafft haben. Mit dieser Klausel in einem vorangegangenen Friedenswerk,
dem Rijswijker Frieden von 1697, hatte sich der französische König nur bereit
erklärt, besetzte Gebiete zurückzugeben, wenn sie katholisch blieben. Den
Katholizismus in diesen evangelischen Gebieten hatte er vorher mit Gewalt eingeführt.
Im Frieden von Baden wird nun diese Religionsklausel in Artikel 3 bestätigt.
Gehör haben die evangelischen Gesandten weder bei Frankreich noch bei den
Kaiserlichen gefunden.
16.8.14
Fast jeden Tag ins Theater
Heute
haben die Köche von Graf von Seilern wieder viel zu tun: Durch seine Pagen
lässt Exzellenz wiederum eine grosse Schar hochkarätiger Gäste zur Mittagstafel
bitten. Die anwesenden Damen beginnen nach der Mahlzeit mit dem Kartenspiel,
einige Herren machen mit. Sodann lassen sich die Damen in ihren
Tragsesseln die wenigen Schritte zum Schützenhaus auf der Schanze vor dem
Bruggertor bringen. Im dortigen Theatersaal wird jeden Tag eine Komödie gegeben,
der jeweils fast der ganze Kongress beiwohnt. Von Seilern lässt in der
Rathausgasse anspannen, sechsspännig natürlich, und fährt durch das Bruggertor
ebenfalls auf den Theaterplatz, um dem Schauspiel beizuwohnen.
15.8.14
Von Seilern eilt von Tafel zu Tafel
Die
gräflichen Exzellenzen von Seilern und von Trauttmansdorff speisen heute Mittag
wiederum bei von Goëss im Wilden Mann. Trauttmansdorff trifft danach noch
einige andere Gesandte und wird dann von Seilern in der Kutsche zur Schifflände
in den Bädern gebracht, von wo er sich auf der Limmat nach Waldshut führen
lässt. Abends ist von Seilern bei Saint-Contest zu Gast.
14.8.14
Der Herzog von Montbéliard reist unverrichteter Dinge ab
Man
erfährt, dass der Herzog von Württemberg-Mömpelgard enttäuscht ist, dass auch
er auf dem Kongress nichts für sein kleines, von Frankreich völlig umgebenes
Territorium hat erreichen können. Er reist ab, und man rechnet nicht damit,
dass er wieder kommt.
Mittags
kommt es zum Fünf-Gesandten-Mahl bei von Goëss, wo erstmals die vier
Hauptbevollmächtigten mit dem Grafen von Trauttmansdorff, dem Gesandten des
Kaisers bei der Eidgenossenschaft, zusammentreffen. Dieser ist vor drei Tagen angereist
und nun, nach verschiedenen eintägigen Kurzbesuchen, erstmals mehrere Tage in
Baden geblieben.
Um
fünf Uhr abends unternehmen die französischen Damen in ihren Karossen eine
Spazierfahrt ins Tägerhard, wo sie sich unter dem angenehmen Schatten der
Waldbäume verlustieren.
13.8.14
Die Königin von Grossbritannien zwischen Leben und Tod
Aus
England trifft heute die Nachricht in Baden ein, dass die britische Königin Anna
von einem Schlaganfall heimgesucht worden ist. Anna Stuart (49) ist Staatsoberhaupt
von Grossbritannien, das erst vor sieben Jahren aus dem Zusammenschluss von
England und Schottland entstanden ist.
Grossbritannien war im vergangenen Krieg bemüht, den Einfluss Frankreichs einzudämmen, hielt also eher zum Kaiser. Darum erweckt es Aufsehen, dass ihr Leben jetzt, wo der Friedensvertrag noch nicht unterzeichnet ist, an einem seidenen Faden hängt.
Sie habe durch den Schlaganfall die Sprache verloren. Man habe ihr Tinktur aus pulverisierten Spanischen Fliegen appliziert und sie zudem am Kopf und zwischen den Schultern geschröpft. Aber nach kurzer Besserung habe sich ihr Gesundheitszustand erneut verschlechtert. Deshalb seien Ober- und Unterhaus zusammengerufen, die Seehäfen geschlossen und die Stadtmiliz in London bewaffnet worden, um allem allfälligen Aufruhr bei ihrem Ableben entgegenzutreten.
Grossbritannien war im vergangenen Krieg bemüht, den Einfluss Frankreichs einzudämmen, hielt also eher zum Kaiser. Darum erweckt es Aufsehen, dass ihr Leben jetzt, wo der Friedensvertrag noch nicht unterzeichnet ist, an einem seidenen Faden hängt.
Sie habe durch den Schlaganfall die Sprache verloren. Man habe ihr Tinktur aus pulverisierten Spanischen Fliegen appliziert und sie zudem am Kopf und zwischen den Schultern geschröpft. Aber nach kurzer Besserung habe sich ihr Gesundheitszustand erneut verschlechtert. Deshalb seien Ober- und Unterhaus zusammengerufen, die Seehäfen geschlossen und die Stadtmiliz in London bewaffnet worden, um allem allfälligen Aufruhr bei ihrem Ableben entgegenzutreten.
12.8.14
Hochkarätiger Mittagstisch im Roten Turm
Die
Gäste, die heute Mittag in von Seilerns Residenz verköstigt werden, haben
klingende Namen: Es sind der Herzog von Montbéliard, Graf von Trauttmansdorff,
der Prinz von Hessen-Rheinfels, Graf von Goëss, sein Sohn, der Württembergische
Gesandte und der kaiserliche Geheimsekretär auf dem Kongress, Penterriedter. Was will man jetzt, wo der Friede ausgehandelt ist, noch tun als essen, essen, essen?
11.8.14
Etwas Kleindiplomatie
Der
jüngst angekommene zweite schwedische Gesandte, Erik Axelson Freiherr von
Sparre (49), stattet heute den Hauptbevollmächtigten seinen Antrittsbesuch ab.
Der Württembergische Gesandte erhält derweil zwischen 10 und 11 Uhr bei Graf
von Seilern Audienz. Graf von Trauttmansdorff, der kaiserliche Gesandte für die
Eidgenossenschaft, trifft wiederum von Waldshut in Baden ein und nimmt zusammen
mit Seilern bei von Goëss das Mittagsmahl ein.
10.8.14
Der Herzog von Montbéliard kommt zu spät
Noch
ein später Ankömmling, ein Prominenter: Herzog Leopold Eberhard (44) kommt
höchstpersönlich von Montbéliard nach Baden, um zu retten, was seine drei
Gesandten nicht hinbekommen haben. Das Herzogtum Württemberg-Mömpelgard ist ein
Restbesitz, umgeben von französischem Territorium, das von einer Nebenlinie der
Stuttgarter Herzöge regiert wird. Es war ein Aufmarschgebiet im soeben zu Ende
gegangenen Krieg. Der Herzog kämpft um die Restitution seines vollständigen Besitzes.
Er wird zwar von Seilern und von Goëss empfangen, aber er kommt zu spät
und richtet nichts mehr aus.
Verschiedene
Ausfahrten werden heute Abend unternommen: Die Damen du Luc und Martinville lassen
sich in Sänften aufs Wettinger Feld tragen, während Saint-Contest mit seiner
Frau, dem jungen Marquis du Luc und einem Ritter des Deutschen Ordens eine
Ausfahrt in sechsspänniger Kutsche unternimmt.
9.8.14
Verspätete Gesandte
Man
glaubt es nicht, aber es kommen immer noch Gesandte an, obwohl der Friedensvertrag
unterwegs nach Wien und Paris ist. Während der Gesandte von Hessen-Darmstadt
schon gestern abgereist ist, ist gleichentags der Vertreter des Schwäbischen
Kreises, einer der Gebietskörperschaften des Reichs, eingetroffen. Es handelt
sich um Johann Wilhelm Freiherr Schenck von Stauffenberg (62), den älteren
Bruder des Fürstbischofs von Konstanz, der von Meersburg am Bodensee angereist
ist und im «Engel» direkt neben dem Bruggertor Quartier bezogen hat. Heute
kommt noch ein zweiter schwedischer Gesandter an. Er übernimmt im Haus zum
Pflug an der Weiten Gasse die Unterkunft, die bis gestern der Gesandte von Hessen-Darmstadt
benützt hat.
8.8.14
Warten und Essen
Jetzt,
wo es kaum noch etwas zu besprechen gibt, kann nur noch vom Essen und von den
Belustigungen der Kongressteilnehmer berichtet werden. Eine bunte Reihe
verschiedener Gesandter isst im Roten Turm zu Mittag, 15 an der Zahl. Zum
Nachtessen lässt Graf du Luc den Herzog von St. Pierre und seine Gemahlin mit
Fackeln und Tragsesseln abholen. Das ist eine besondere Ehrerbietung an einen
diplomatisch unwichtigen, aber von seiner Abstammung her hochstehenden Gast.
Die beiden könnten gut zu Fuss gehen; die Distanz von ihrer Unterkunft zum
Bernerhaus beträgt keine hundert Meter.
7.8.14
Der Friedensvertrag auf der Post nach Wien
Es
täuscht nicht: Das Friedenswerk ist fertig. Gestern war gar nichts zu melden,
und heute Dienstag wird nicht mal mehr Konferenz gehalten. Um ein Uhr mittags
verlässt der Diener, der bei Graf von Goëss jeweils die Tafel deckt, mit der
letzten Post die Stadt Baden als Extrakurier nach Wien. Bei sich im Gepäck: das
versiegelte Instrumentum pacis, also der lateinische abgefasste Friedensvertrag,
adressiert an Prinz Eugen von Savoyen (51). Der in Frankreich aufgewachsene
Hochadlige und ruhmreiche Feldherr im Dienst des Kaisers sitzt im Zentrum der
kaiserlichen Politik; er präsidiert den Hofkriegsrat und die Geheime
Staatskonferenz. Er wird das Friedenswerk vom Kurier entgegennehmen und Ihrer
Kaiserlichen Majestät überreichen. Der Kaiser wird, so ist zu erwarten, danach
Prinz Eugen die Order erteilen, nach Baden abzureisen und dort den Vertrag zu
unterzeichnen. Man hofft auf die Ankunft von Prinz Eugen zu Ende des Monats
August.
Bis
dahin ist Warten angesagt, und Warten kann man am besten, wenn man sich gut
unterhält. So lädt der jugendliche Gesandte des Papstes, Domenico Passionei
(32), heute du Luc und andere Gesandte zum Mittagsmahl ins Kloster Wettingen
ein, während bei von Goëss im Wilden Mann ein anderes Bankett stattfindet.
5.8.14
Privataudienzen bei Graf von Seilern
Im
Roten Turm geben sich die Diplomaten die Klinke in die Hand: Nachmittags ist
der Herzog von St. Pierre über eine Stunde bei Graf von Seilern und bespricht mit
ihm seine Geschäfte. Danach gewährt Seilern dem Gesandten des Fürstbistums
Hildesheim eine Audienz. Hier geht es eigentlich um Politik für das bayrische
Haus Wittelsbach. Dieses hat eine ganze Reihe von deutschen Fürstbistümern
unter seinen Fittichen, darunter auch das Hochstift Hildesheim. Es geht um
nicht weniger als um die Restitution des Hochstifts an den wittelsbachischen Landesherrn
und Fürstbischof. Der junge Gesandte, Ernst Friedrich Freiherr Twickel (31),
entstammt westfälischem Adel und ist seit dem jugendlichen Alter von 25 Jahren
Domherr in Hildesheim.
4.8.14
Nicht mehr viel zu tun für den Friedensvertrag?
Auffällig wenig ist zu vermelden: gestern gar nichts und heute Samstag nur
gerade eine Spazierfahrt der französischen Damen nach Wettingen, der sich Graf
von Seilern anschliesst. Ein Stafettenkurier von Wien langt bei den
kaiserlichen Botschaftern ein, und, wie samstags üblich, ist morgens Konferenz
gehalten worden. Sind wohl heute die letzten Schnörkel am Friedensvertrag
angebracht worden?
2.8.14
80 Diplomaten in Baden
Heute
um acht Uhr trifft der venezianische Botschafter ein. Mittlerweile sind rund 80
Diplomaten und viele hundert Angehörige und Bedienstete in Baden.
Um
neun Uhr gehen die Hauptbevollmächtigten, wie gewöhnlich begleitet von Offizieren,
Pagen und Lakaien, zur Konferenz auf dem Rathaus. Üblicherweise benützen die
Kongressparteien dabei zwei verschiedene Eingänge des Rathauses: Die Kaiserlichen
nehmen die Tür auf der Seite der Stadtkirche, die Franzosen jene in der
Rathausgasse.
1.8.14
Diplomatie in den Residenzen
Bei
du Luc nimmt Seilern heute das Mittagessen ein. Die beiden gehen von dort zu
Saint-Contest ins «Paradies» und danach miteinander zu von Goëss in den «Wilden
Mann».
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