Eine
Stunde nach dem Zusammentreffen der beiden Generalbevollmächtigten holen Bedienstete
und einige kaiserliche Offiziere den Prinzen im Schnorff’schen Sommerhaus ab
und führen ihn unter leuchtenden Fackeln zur Residenz des Grafen von Goëss im
Wilden Mann. Dort nimmt er inmitten der kaiserlichen Ambassadoren und Generäle
das mit 16 Speisen angerichtete Nachtessen ein, während der Marschall de
Villars bei Graf du Luc im Bernerhaus speist. Das Nachtessen im Wilden Mann
dauert bis elf Uhr, dann wird der Prinz in seine Residenz zurückbegleitet. Ein
langer Tag geht zu Ende.
Erleben Sie den Friedenskongress Tag für Tag. Der Badener Caspar Joseph Dorer führt für Sie Tagebuch.
5.9.14
Die Stadt im Fackelmeer
Kurz
nach der Ankunft des Marschalls kommt der junge Graf du Luc mit dem Befehl,
alle französischen Offiziere und Bediensteten hätten sich bereit zu halten und
sich mit Fackeln zu versehen. Der Marschall wolle heute noch dem Prinzen eine
Visite machen.
Das
zieht das Volk vors Bernerhaus, und auch die Kaiserlichen erhalten Nachricht davon.
Auch sie lassen alle Bediensteten vor dem Mellingertor mit brennenden Fackeln
aufstellen. Die Bediensteten des Grafen von Seilern tragen die neue Livré.
Diese ist von gutem weissen Tuch, hat Silberborten um die Knopflöcher und ist
auch um die Taschen und Aufschläge reich eingefasst. Die Knöpfe sind aus
massivem Silber.
Durch
den Spalier kaiserlicher Fackeln schreitet nun der Duc de Villars, Pair und
Maréchal de France, General der königlichen Armeen in Deutschland, Ritter des
königlichen Ordens, Gouverneur und Generalleutnant der Provence, mit einem ungemein
grossen Gefolge von 300 Offizieren und vielen Bediensteten, diese ebenfalls mit
Fackeln. Die Visite dauert eine Viertelstunde, worauf sich der ganze Zug zurück
zum Bernerhaus bewegt.
Marschall de Villars Ankunft zweiter Klasse
Erst
nach des Prinzen Eugen Einzug um fünf Uhr schicken die französischen
Ambassadoren Kutschen und Pferde nach Brugg, dem Marschall de Villars entgegen.
Als er nach 19 Uhr in Baden eintrifft, wird er vom Seigneur de Saint-Contest
und von vielen Offizieren und Bediensteten vor dem Bruggertor empfangen. Er hat
aber kein grosses Gefolge. Dieses besteht nur aus einigen Offizieren und
Husaren. Die Fahrt durchs Bruggertor und in die Weite Gasse zieht zweifellos
auch Schaulustige an, aber es ist nicht der gleich triumphale Empfang, wie er dem
Prinzen Eugen zuteil geworden ist. Unter vielen leuchtenden Fackeln steigt de
Villars beim Bernerhaus aus, wird von du Luc empfangen und in sein Zimmer
geleitet. Eine Sonderresidenz ist für ihn nicht verfügbar, nur für den Prinzen
Eugen.
Triumphfahrt des Prinzen durch die Stadt
Um
17 Uhr zieht Prinz Eugen in Baden ein. Er sitzt in der neuen Kutsche des Grafen
von Seilern, weitere Kutschen folgen. Der Weg führt über die Holzbrücke, die Halde
hinauf in die Rathausgasse, wo schon das Volk steht und dem berühmten und auch
in der Eidgenossenschaft geachteten Kriegshelden zujubelt. Beim Löwen und beim
Bruggertor vorbei, durch eine unübersehbare Volksmenge, biegt die Kutsche in
die enge Mittlere Gasse ein und fährt dann über den Cordulaplatz durchs
Mellingertor und vor des Schultheissen Sommerhaus. Der grossartigste Umzug, den
Baden gesehen hat!
Prinz
Eugen steigt beim Schnorff’schen Sommerhaus aus und wird vom Grafen von Goëss
und vom Legationssekretär Penterriedter sowie von Generälen und Offizieren
empfangen. Ohne Verzug zieht er sich mit den beiden kaiserlichen Botschaftern
in ein Zimmer zurück, vorbei am Vorzimmer, wo Grafen, Barone, Generäle und
andere hohe Herren, auch einige Gesandte, ihm den Hof machen.
Alles auf der Gasse: Prinz Eugen ante portas
Nach
der Mittagstafel, um vier Uhr, fährt Graf von Seilern in seiner Kutsche dem
Prinzen Eugen entgegen. Einen Pagen und einen Bediensteten hat er zu Pferd
dabei; jetzt braucht man berittene Boten, die nach Osten und nach Westen mitteilen
können, wie weit von der Stadt entfernt der Prinz und der französische
Marschall schon sind. Prinz Eugen, der Fürst von Geblüt, fühlt sich nicht
zurückgesetzt, wenn er als Erster eintrifft. Er lässt dem Franzosen den kleinen
Triumph. Und er ist sich eines grossartigen Empfangs sicher: Jetzt ist in Baden
alles auf der Gasse. Das Kongressvolk und die Bevölkerung stehen
dichtgedrängt vom Bruggertor durch die ganze Mittlere Gasse bis zum Schnorff’schen
Sommerhaus, wo Prinz Eugen residieren wird.
Mittagessen in angespannter Erwartungshaltung
In
Ermangelung eines Kurznachrichtendienstes, der zeitnah mitteilen könnte, wie
weit von Baden entfernt Prinz Eugen noch ist, setzt man sich zum Mittagessen.
Im Roten Turm bei Graf von Seilern speisen die kaiserlichen Generäle: der
Herzog von Arenberg (24), die Fürsten von Ligne (28 und 29), Hieronymus von
Erlach (47, Schwiegersohn des Berner Schultheissen), Graf von der Mark (34).
Von Seilern befiehlt, seinen neuen Wagen und die sechs Rappen mit dem sauberen
Geschirr bereit zu halten.
Prinz Eugen in Schaffhausen mit Salut empfangen
Mit
sechs Postkutschen trifft in der Früh Prinz Eugen in Schaffhausen ein. Die
Geschütze auf dem Munot schiessen Salut, die Bürgerschaft steht im Gewehr auf
den Gassen, und der städtische Rat heisst den Prinzen willkommen. Prinz Eugen
ist liebenswürdig wie immer, doch lässt er nur die sechs mal sechs Pferde
wechseln und setzt schleunigst seine Reise nach Baden fort.
Derweil
befiehlt um sieben Uhr morgens in Baden der General von Falckenstein (84),
seine Kutsche mit sechs Pferden fertig zu halten. Gleich darauf fährt er mit
einem weiteren General und vier zusätzlichen Pferden dem Prinzen Eugen
entgegen.
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